Leonardo Weinreich, 2020
Kritik an Essays von Donald Davidson
Eigene und fremde Bewusstseinsinhalte
Davidson (2001, 15 ff.) behandelt auf vielen Seiten das angebliche Problem, dass man selbst weiß, was man für Bewusstseinsinhalte (Überzeugungen, Ansichten, Gefühle) hat, während man die Bewusstseinsinhalte anderer nur aus Hinweisen herleiten kann. Dies ist jedoch kein Problem, denn dieser Umstand liegt offensichtlich daran, dass jedes Subjekt sich seinen eigenen Bewusstseinsinhalten unmittelbar bewusst ist, diese also direkt für das Subjekt Informationen über sie bewahrheiten, während Bewusstseinsinhalte anderer nicht wahrgenommen werden können, und wir demnach nur Annahmen anhand von wahrgenommenen Wirklichkeitsinhalten über sie treffen können. Da sich Gehirnzustände jedoch theoretisch wahrnehmen lassen, können wir theoretisch daraus ableiten, was für Überzeugungen, Ansichten, Gefühle jemand hat, vorausgesetzt wir können diese den Gehirnzuständen zuordnen.
Es gibt herkömmlich (aus dem mental externalism) tatsächlich Argumente dagegen, dass man immer weiß was man denkt. Dies zu bezweifeln ist jedoch offensichtlich nicht möglich. Nicht zu wissen was man denkt kann lediglich bedeuten, nicht zu wissen, worauf sich die Gedanken beziehen. Auch dies erscheint jedoch unmöglich, denn Gedanken als Vorstellungen, Beschreibungen oder Repräsentationen von Wirklichkeits-/Bewusstseinsinhalten kann man eigentlich immer auf diese beziehen, wenn man sie wahrnimmt. Nur die genauen Eigenschaften dieser Wirklichkeits-/Bewusstseinsinhalten kann man nicht ohne weiteres wissen.
„The entities to which we relate thinkers when we attribute beliefs and other propositional attitudes to them are not in the thinkers – not in their minds, or before their minds.“ (Davidson 2001, 69 ff.) Wieder eine absolut nicht nachvollziehbare Ansicht. Es ist offensichtlich, dass Überzeugungen, Ansichten und der Glaube an etwas geistige Zustände im Gehirn sind.
Wahre Bewusstseinsinhalte
Davidson (2001, 53 ff.) schreibt über Dinge, die dem Geist so unmittelbar vorschweben sollen, dass es unmöglich sei, sie nicht richtig zu identifizieren. Wir können nicht denken sie existierten, wenn sie nicht existieren. Er meint also momentane Bewusstseinsinhalte. Später meint er jedoch, dass es keine Gegenstände gibt, bezüglich derer Irrtümer unmöglich sind; die notwendig das sind, was sie zu sein scheinen. Nicht einmal Erscheinungen sind alles das, wofür wir sie halten. Auch die Aspekte der „Sinnesdaten“ lassen sich nicht gegen diese oder jene Art von Fehlidentifikation schützen.
Des Weiteren schreibt er, dass es keine Überzeugungen im Sinne von Entitäten und keine „Gegenstände der Überzeugung“ als etwas dem Bewusstsein Vorschwebendes gibt, und wir diese nur in Beziehung zu anderen Dingen bestimmen können. Dies ist jedoch wieder offensichtlich falsch. Denn wir nehmen an, dass z. B. eine fremde Überzeugung wie die Vorstellung eines konkreten Baumes (mit der Überzeugung bzw. dem Bewusstseinsinhalt, dass die Vorstellung wahr ist) als Gehirnzustand und Bewusstseinsinhalt existiert. Jeder kann sich diesen Bewusstseinsinhalt vorstellen und klar von anderen Bewusstseinsinhalten unterscheiden; er ist damit eine „Entität“. Die Vorstellung von etwas hat nur insofern immer eine Beziehung zu etwas anderem, als dass das Etwas bzw. die einzelnen Bestandteile einer zusammengesetzten Vorstellung wahrgenommen werden mussten. Es gab also einen Entstehungsprozess der Vorstellung aus einer Wahrnehmung bzw. aus mehreren Wahrnehmungen.
Körper-externe Erkenntnis; distale und proximale Theorie
Davidson spricht auch oft davon, dass wir nur Sinnesreize an unseren Außenflächen haben, wir also nicht wissen können was hinter dem Reiz außerhalb unseres Körpers ist. Dies ist an sich richtig, er verwendet es jedoch als fehlgeleitete Version der Erkenntnis, dass wir nicht wissen können, ob manche Bewusstseinsinhalte von uns eine Wirklichkeit abbilden. Denn Davidson nimmt in dieser Überlegung schon an, dass es einen physikalischen Körper gibt. Dieser ergibt jedoch nur als Teil einer insgesamt angenommenen Wirklichkeit Sinn.
Als proximale Theorie der Bedeutung bezeichnet er, dass zwei Sätze die gleiche Bedeutung haben, wenn ihnen die gleiche Reizbedeutung zukommt, also wenn Zustimmung und Ablehnung von den gleichen Reizmustern ausgelöst werden. Dies würde bedeuten, dass z. B. die Vorstellung von etwas wahr ist, wenn der Reiz der Wahrnehmung (wie das Feuern von Nervenzellen) davon vorhanden ist. Dass solch ein physikalischer Reiz vorhanden ist, ist jedoch nur eine Annahme (über einen Wirklichkeitsinhalt). Und es ist auch nur ein Teil der Annahme, welche erforderlich ist, damit die Vorstellung wahr ist. Denn z. B. die Vorstellung eines Baumes bezieht sich nicht auf den Sinnesreiz der die Vorstellung des Baumes enthält bzw. das Bild des Baumes transportiert, sondern sie bezieht sich auf den Baum selbst. Wir sind uns also nur sicher, dass der Baum existiert, wenn wir annehmen, dass der Baum sowie der Wahrnehmungsprozess (reflektiertes Licht, Reiz auf der Netzhaut, Feuern der Nervenzellen) existieren. Und diese (Wahrheits-)Annahme stellen wir wiederum nur auf, wenn wir (nüchtern) die Wahrnehmung des Baumes haben. Das proximale Element ist also nur ein Teil der Wirklichkeitsinhalte die wir annehmen. Das Gehirn erfährt natürlich nur das „proximale Element“ als eine Wahrnehmung als Gehirnzustand (genau wie wir nur die Wahrnehmung als Bewusstseinsinhalt erfahren). Aufgrund dieser nimmt das Gehirn genau wie wir an, was alles „dahinter“ liegt, also den Wirklichkeitsinhalt und Wahrnehmungsprozess.
Davidsons (2005, 47 ff.) Ausführungen über eine distale und proximale Theorie der Bedeutung bzw. Wahrheit sind völlig irregeleitet. Zur Frage steht immer wieder ob oder wie eine Mehrzahl von Subjekten etwas wahrnimmt oder beurteilt, obwohl eine Definition der Begriffe Wahrheit und (Sprachzeichen-)Bedeutung auch allein für und durch ein einziges Subjekt gültig sein muss, da auch ein einzelnes Subjekt Wahrheit erkennen und Bedeutungen zuordnen kann. Trotzdem hält er fest: Die Identifizierung der Gegenstände des Denkens beruht auf einer sozialen Grundlage. Ohne ein Lebewesen, welches das andere beobachten kann, könnte die Triangulation, durch die den betreffenden Gegenständen ihr Ort in einem öffentlichen Raum zu gewiesen wird, nicht stattfinden. Davidson nimmt sprachliche Äußerungen bzw. sprachliche Reaktionen auf Ereignisse als Anhaltspunkt für seine Überlegungen, weil er den Blickpunkt eines Interpreten einnehmen will, obwohl dies auch eine völlig unnötige Herangehensweise zur Untersuchung von Wahrheit und Bedeutung ist. Er versucht mittels interpretierten Sprachzeichen-Zuordnungen zu ergründen, ob wir die Wirklichkeit richtig erkennen können. Jedoch ist die Verwendung von Sprachzeichen völlig unabhängig von einem richtigen Erkennen der Wirklichkeit. Auch ein Subjekt ohne Sprachzeichen kann annehmen, dass seine Wahrnehmungen unter bestimmten Bedingungen wahr sind.
Auch der angebliche Gegensatz zwischen einer distalen und proximalen Theorie erscheint offensichtlich falsch, da erstere vom Wirklichkeitsinhalt ausgeht, der eine Bedeutung ist oder über den eine Wahrheit aufgestellt wird, und letztere vom Sinnesreiz, Gehirnzustand oder sonstigen Wirklichkeitsinhalt ausgeht, der Teil eines physikalischen Wahrnehmungsprozesses ist. Wenn wir annehmen, dass ein Bewusstseinsinhalt Wahrnehmung eines Wirklichkeitsinhaltes ist, dann nehmen wir an, dass all diese Wirklichkeitsinhalte existieren: der abgebildete Wirklichkeitsinhalt, das Reizmuster im Sinnesorgan, „das Muster neuronalen Feuerns“ und/bzw. der Gehirnzustand (die Wahrnehmung als Gehirnzustand). Genauso können wir all diese Wirklichkeitsinhalte wahrnehmen, bzw. können wir annehmen, dass Bewusstseinsinhalte Wahrnehmungen dieser Wirklichkeitsinhalte sind. Davidson will anhand einer Triangulation aus zwei Subjekten und einem Wirklichkeitsinhalt zeigen, dass es mindestens zwei Subjekte braucht, um Wörtern eine Bedeutung als Wirklichkeitsinhalt zuzuordnen. Dies ist offensichtlich falsch, denn auch ein einzelnes Subjekt kann die Existenz von Wirklichkeitsinhalten annehmen und ihnen Sprachzeichen zuordnen. Davidson scheint sich in realitätsfernen, blinden Sackgassen zu verlaufen, und benutzt eine viel zu uneindeutige, schlecht definierte Sprache. Dies ist zumindest mein Eindruck.
Erkennbarkeit der Wirklichkeit
Davison (2001, 193 ff.) erkannte, dass unsere eigenen Bewusstseinsinhalte eine gesicherte Wahrheit sind, meint aber, dass die Erkenntnis der eigenen Bewusstseinsinhalte nicht die Basis unserer übrigen Erkenntnis abgeben kann. Deshalb hält er fest, dass sich die mögliche Falschheit aller Ansichten über die Welt nicht ausschließen lässt. Dies ist richtig, denn die Wirklichkeit bleibt streng genommen immer nur eine Annahme. Er hält dies jedoch für einen Fehlschluss und führt „analytische Wahrheiten“ als zweifelsfrei wahr an. Diese sind jedoch nur insofern Ansichten bzw. Aussagen über die Welt, als dass sie die Existenz ihres Subjekts implizieren, was wie alles nur eine Annahme sein kein, siehe Kapitel Apriori/aposteriori; synthetisch/analytisch; Notwendigkeit.
Davidson führt an, dass es unwahrscheinlich sei, dass man immer wieder falsche Wahrnehmungen hat. Dabei setzt er jedoch bereits voraus, dass es eine Wirklichkeit gibt und unsere Sinnesorgane diese korrekt wahrnehmen können. So nehmen wir nach diesen Annahmen auch nur an, dass es unwahrscheinlich ist, dass wir uns z. B. jedes Mal „vergucken“ (wie in seinem Beispiel) (bzw. nehmen wir auch an, dass unsere nüchterne Wahrnehmung immer richtig die Kontraste der Wirklichkeit abbildet).
Davison (2001, 39 ff.) hält fest, dass wenn sich unsere Erkenntnis der Welt ausschließlich von Belegen dieser Art (momentane Bewusstseinsinhalte) herschreibt, nicht nur die Möglichkeit besteht, dass unsere Sinne uns manchmal trügen, sondern auch die Täuschung dann systematisch und ganz allgemein möglich ist. Dass unsere Bewusstseinsinhalte uns immer täuschen können heißt nichts anderes, als dass wir nicht wissen können ob es Wirklichkeitsinhalte gibt und wie diese beschaffen sind. Wir nehmen nur an, dass uns unsere Bewusstseinsinhalte unter bestimmten Bedingungen nicht täuschen. Hat man sich erst einmal für den cartesianischen Ausgangspunkt entschieden, weiß man – wie es scheint – nicht mehr anzugeben, wofür die Belege eigentlich Belege sind. Weil die Belege auch keine Belege sondern schlicht unsere Bewusstseinsinhalte sind. Wir nehmen nur an, dass ein Bewusstseinsinhalt Wahrnehmung (Beleg) eines Wirklichkeitsinhaltes ist.
Davidson meint, dass die empirische Erkenntnis keine empirische Grundlage hat und auch keine braucht. Er meint, dass es ein Fehler ist zu glauben, dass die Sinneserfahrung bei der Bestimmung des Inhalts der Überzeugungen über die Welt eine erkenntnistheoretische Rolle spielt. Wie wir nun zu Erkenntnissen kommen, beantwortet er nicht schlüssig. Die einzige Quelle sind unsere originalen Bewusstseinsinhalte, also die Wahrnehmungen, deren Inhalt wir nicht bewusst (frei) konstruiert haben.
Es ist nicht nur so, dass andere in Erfahrung bringen können, was wir denken, indem sie auf die kausalen Abhängigkeiten achten, die unseren Gedanken ihren Inhalt verleihen, sondern die bloße Möglichkeit von Gedanken verlangt gemeinsame Maßstäbe der Wahrheit und der Objektivität. Für Davidson ist ein Gedanke kein abgeschottetes Reservat, sondern Teil einer gemeinsamen öffentlichen Welt. Gehirnzustände lassen sich wahrnehmen. Fremde Bewusstseinsinhalte jedoch nicht. Fremde Bewusstseinsinhalte, wie Gefühle, lassen sich nur anhand ihrer Gehirnzustände erschließen, wenn wir die gleichen Gehirnzustände besitzen und ihnen ein Gefühl zuordnen, dass wir besitzen. Neuartige Gefühle lassen sich nicht erkennen bzw. fühlen, bis man sie selbst fühlt. Davidsons Anliegen, Skeptizismus und Begriffsrelativismus zu entschärfen, sind sinnvoll, jedoch ist ihm dies nicht auf sinnvolle Weise gelungen.
Davidson (2001, 53 ff.) meint jedoch wieder, dass es keine Objekte gibt, die das sein müssen, was sie zu sein scheinen, über die wir also unfehlbares Wissen erlangen können. „Not even appearances are everything we think they are.“ An der Existenz von allem was wir erleben besteht jedoch für uns kein Zweifel. Wir können z. B. nicht auf unsere eigenen Hände blicken, und uns darin irren, dass wir etwas sehen, dass wie Hände aussieht. „Apparently we have a dilemma. On the one hand, there is the fact that to have a belief or other propositional attitude is to be related to an object of some sort; on the other hand, there is the fact that there seems to be no satisfactory account of the psychological relation a person must be in to the appropriate object in order to have the attitude. The difficulty in giving such an account hinges on the idea that since a person generally knows what he thinks, he must be directly acquainted with, or be able in some special way to identify or individuate, the object or objects that define (give the contents of) his thought.“ Wo hier das Problem liegt erschließt sich mir nicht. Wenn man z. B. der Überzeugung ist, vor einem befindet sich ein bestimmter Gegenstand, dann ist dies eine visuelle Vorstellung eines räumlichen Wirklichkeitsinhaltes, verbunden mit dem (auch visuellem) Gedanken, dass dieser sich an einem Ort in der Wirklichkeit befindet. Wenn man etwas wahrnimmt, dass der Vorstellung entspricht, dann verknüpfen wir diese Wahrnehmung mit der Vorstellung und betrachten die Vorstellung als Vorstellung dieser Wahrnehmung bzw. des wahrgenommenen Wirklichkeitsinhaltes.
Es ist möglich, dass ich seine Argumentationen zum Teil nur falsch verstehe und somit zu Unrecht kritisiere. Aber ich bin mir sicher, dass meine Fähigkeiten des Verstehens und Interpretierens gut sind, womit mein Verständnis eines Textes einen allgemeingültigen Wert besitzt, da andere ihn auch so verstehen würden. Texte sollen also ihre Ideen auch verständlich vermitteln. Somit zählt nicht nur die Intension des Autos, sondern auch was der Text rational interpretiert wiedergibt.
Davidson, Donald
(1980) Essays on Actions and Events
(1986) A Nice Derangement of Epitaphs. In: Lepore, Ernest. Truth and Interpretation: Perspectives on the Philosophy of Donald Davidson
(1994) What is Quine's View of Truth? In: Inquiry: An Interdisciplinary Journal of Philosophy, 37
(2001) Subjective, Intersubjective, Objective: Philosophical Essays Volume 3
(2004) Problems of Rationality
(2005) Truth, Language, and History: Philosophical Essays. Volume 5